Archiv für den Monat: Mai 2015

Gladiatorenkämpfe

1000 – Wer ist die Nummer 1?
Eine neue Show-Idee oder ein gigantischer Flop?

Das ZDF hat gemeinsam mit BBC ein Riesending auf die Füße gestellt. Vorab lauten die Ankündigungen: „Die neue Eventshow“ oder „Dabei geht es nicht einfach nur um Wissen, Geschicklichkeit, Cleverness oder körperliche Fitness, sondern um immer wieder neue Kombinationen von Fähigkeiten.“.
Produziert wird das Ganze von der BBC Tochter TowerProductions.

In sechs Städten fanden im Februar die Castings statt: getestet wurde Allgemeinwissen und generelle Kameratauglichkeit. Aus geschätzten 5.000 Bewerbern wurden die Kandidaten für die Show gefiltert. Die Kriterien blieben letztlich unklar. Ein Fragebogen mit 20 Multiple-Choice-Fragen und eine 30sekündige Vorstellung vor allen Mitbewerbern und einer fünfköpfigen Jury – dabei fielen etwa 20% durch und der Rest durfte eine kurze und prägnante Kampfansage frontal in die Kamera sprechen.

Schon kurz nach den Castings bekamen die Kandidaten ihre schriftliche Zusage. Und die Teilnahmebedingungen. War bei den Castings und vorab lediglich erwähnt worden, dass es auch um sportliche Fitness gehen würde, so wurde jetzt deutlich, dass für die 1000 Kandidaten in einer ersten Ausscheidungsrunde nur diese eine Fähigkeit gefragt sein würde: ein knapp eineinhalb Kilometer langer Hindernis-Parcours würde zu durchlaufen sein und nur die 500 besten Läuferinnen und Läufer wären als Kandidaten dabei – die 500 Verlierer des Laufes würden als Studiopublikum herhalten.

Der Drehort wurde bis zuletzt geheim gehalten, und die Kandidaten mussten sich zu absoluter Verschwiegenheit verpflichten was ihre Teilnahme betraf. An dem sonnigen Samstag Mitte April wurden die Teilnehmer aus ganz Deutschland in Bussen herangekarrt und auf dem Gelände am Rande des Flughafens BER ausgeladen. Dort waren in drei Hangars die notwendigen Räumlichkeiten eingerichtet.

Das ZDF hatte in einer der Hallen das Studio aufgebaut mit großer Bühne, Platz für die 1.000 Kandidaten, die nach und nach zu Zuschauern werden würden. Technik vom Allerfeinsten war aufgeboten und auch das technische Personal war von Studio Berlin des ZDF bereitgestellt. Die Kandidatenbetreuung, das Catering und die technische Betreuung der Spiele waren an Fremdfirmen vergeben worden. Schnell offenbarte sich, dass diese Firmen total überfordert waren, personell unterbesetzt und miserabel organisiert.

In mehreren Schlangen – teils zwei-, teils bis zu achtspurig, mussten die Ankömmlinge ungefähr zwei Stunden anstehen, um ihre Startnummern, Gutscheine für Mittagessen und ein Verpflegungspaket zu bekommen. Es dauerte über eine Stunde, bis sich das Chaos in den Warteschlangen so eskaliert hatte, dass schließlich die gestressten Mitarbeiter die Nerven verloren und versuchten, sich Gehör zu verschaffen. Keine Chance, in der riesigen Halle mit ein paar hundert murmelnden Leuten, ohne Verstärkung durchzudringen. Fast eine weitere halbe Stunde verging, bis jemand auf die Idee kam, es mit einem Megaphon zu versuchen. Der Mitarbeiter stellte sich auf einen Tisch und gab statt klarer Anweisungen – die auch an seine Kollegen erforderlich gewesen wären – Beschwichtigungserklärungen ab. „Es ist doch alles so toll hier, bitte habt etwas Geduld!“.

Im Bus waren auf der Anfahrt Handouts mit Anmerkungen zum Ablauf verteilt worden, welche sich ganz gut lasen … von persönlicher Betreuung war zu lesen bis hin zu Monitoren, auf denen Informationen zum Ablauf und Zeitpläne angezeigt werden sollten. In den Hallen war von den Bildschirmen dann keine Spur, und die persönliche Betreuung stellte sich rasch so heraus, dass es für jeweils 200 Teilnehmer einen Ansprechpartner gab.

Nachfragen nach „Wann geht es denn nun mal weiter bzw. los?“ wurden mit Achselzucken beantwortet. Waren die ersten Kandidaten mit den Bussen zwischen zwölf und dreizehn Uhr eingetroffen, so trafen die letzten gegen 14:30 Uhr ein … und entsprechend hatte sich die letzte Warteschlange erst kurz nach 16:00 Uhr aufgelöst.

Die Halle mit den Wartenden – im Übrigen ungeheizt – wurde von ein paar TV Teams durchquert, die sich einige – vorzugsweise ältere – Teilnehmer zu kurzen Interviews herauspickten. Nur sehr wenige waren übrigens älter als 60. Das durchschnittliche Alter lag deutlich unter 40. Aber ganz junge Leute (unter 30) waren ebenfalls wenige zu sehen. Und ebenfalls auffällig war der sehr niedrige Frauenanteil – schätzungsweise maximal 20%. Das war im Bus auch schon aufgefallen: von den 26 Menschen, die in Bremen einstiegen, waren drei weiblichen Geschlechts, vier waren älter als 50 und nur einer unter 30.

In einer zweiten – beheizten – Halle waren dann die „Umkleidekabinen“. Fünf an der Zahl also eine für jeweils 200 Leute. Das waren mit einfachen Trennwänden abgegrenzte Bereiche in denen sich ein paar Bänke und wenige Kleiderständer befanden. Die sanitären Anlagen waren knapp aber doch ausreichend. Duschen suchte man allerdings vergeblich. In dieser Halle war auch das Catering aufgebaut. Zu trinken gab es reichlich Wasser in kleinen 0,2 Liter Wegwerfflaschen aus Plastik. Stilles Wasser. Guten Kaffee und heißes Wasser mit einer reichlichen Auswahl Teebeutel. Einen Tisch mit Bananen, für alle genug. Für jeden Teilnehmer eine warme Mahlzeit. Hier wurden die Vegetarier schlicht vergessen. Und im Teilnehmerbeutel, den jeder mit aufgedruckter Startnummer bekam, waren eine BiFi Wurst, ein Duplo, ein Müsliriegel, ein Hanuta sowie ein Apfel und ein Stück Traubenzucker. Für den Abend wurde ein weiterer Imbiss versprochen und ein Coupon für ein Lunchpaket war auch noch im Beutel.

Erst wurde gesagt, dass man persönliche Dinge während der Aufzeichnung in den Umkleideräumen lassen könne, dann wurde wieder gesagt, dass das nicht möglich sei und man alles außer dem Teilnehmerbeutel in den bewachten Bereich mit dem Gepäck und den Wertsachen bringen müsse. Dort waren lediglich drei bis fünf Leute beschäftigt, was erneut zu langen Warteschlangen führte.

In der Halle mit den Umkleiden bildete sich eine weitere Warteschlange. Alle, die fertig zum Laufen umgezogen waren, stellten sich dort an. Die Kleidung wurde auf unerlaubte Werbung kontrolliert und ggf. überklebt. Auch die Klamotten für die Show im Studio, die sich im Beutel befanden, wurden daraufhin durchgesehen. Nach einiger Zeit kam jemand vorbei, der die Prozedur bereits hinter sich hatte und erzählte einigen in der Schlange, diese Prozedur sei keine Pflicht. Noch mal zwanzig Minuten später hatte sich die Schlange völlig aufgelöst. Auf Nachfrage hieß es, die junge Frau, die die Kontrollen durchgeführt hatte, sei einfach weggegangen.

Auf die Nachfrage, warum das denn alles so schlecht organisiert sei, bekam man keine Antwort aber von den Beschäftigten durchaus eine Bestätigung. Unter den Teilnehmern – viele hatten schon mehrere Sportveranstaltungen mitgemacht oder sogar selbst organisiert – war die einhellige Meinung, die Organisation sei mit Noten überhaupt nicht zu bewerten, so grottenschlecht sei sie. Auf die Frage an einen der Organisatoren, warum man beispielsweise die Beutel mit den Startnummern nicht vorab an die Teilnehmer verschickt habe, sagte dieser, es hätten in den letzten Tagen an die dreihundert Leute kurzfristig abgesagt und dies hätte man nicht bewältigen können.

Viele Teilnehmer nutzen dann die lange Wartezeit, um sich ordentlich aufzuwärmen und machten Gymnastik, kleine Dehnübungen und Läufe. Gegen dreiviertelfünf sollten sich alle in die Umkleidezonen begeben. Dort wurde das weitere Verfahren mitgeteilt: um Fünf sollten sich alle ins Studio begeben, da erhalte man weitere Instruktionen, mache gemeinsam eine Feueralarmübung und dann ginge es an den Start. Dann gab es den Hinweis, dass Brillenträger ihre Brille auf dem Parcours mit Sicherheit verlieren würden, wenn sie denn kein Sport-Bändsel dran hätten. Viele Leute verstauten – nicht ohne zu murren – ihre Brillen im Teilnehmerbeutel.

Kurz vor Fünf war es dann so weit. Die Showbühne war in der dritten Halle aufgebaut. Riesengroß und der Zuschauerbereich logischerweise mit Platz für 1.000 Leute. Nach der kurzen Einweisung mit der Erklärung, dass die 500 Gewinner des Laufs anschließend in der Mitte sitzen würden und jeweils 250 Verlierer rechts und links der Bühne, wurde ein wenig Applaudieren geübt und die Feueralarmübung abgehalten.

Draußen war es relativ kühl, maximal 12° und die Sonne schaute nur ab und zu kurz durch die Wolken. Auf dem Weg zur Startlinie erleichterten sich einige Herren noch mal schnell am Rand des Platzes, was bei den Damen für reichlich Unmut sorgte.

Jeder Teilnehmer hatte eine Farbe für die Umkleidekabine bekommen. Zusätzlich wurde eine zweite Farbe für die Startposition zugelost. Warum dies nötig war, konnte niemand beantworten. Fünf Startlinien waren etwa dreißig Zentimeter hintereinander über die komplette Breite des Platzes angebracht, dies beinhaltete einen etwa fünfundzwanzig Meter breiten asphaltierten Runway und rechts davon eine mit leichtem Schotter bedeckte Fläche etwa doppelt so breit. Der Runway führte gerade auf einen zehn Meter breiten Durchlass zu hinter dem sich die Laufbahn wieder verbreiterte und in ca. 200 m Entfernung vom Start befand sich das erste Hindernis – eine Barriere aus Strohballen. Dahinter sprühten zwei Schaumkanonen jede Menge weißen Schaum auf die Strecke. In einiger Entfernung war eine doppelt so hohe zweistufige weitere Strohmauer zu erkennen und wiederum dahinter war eine große Mauer zu erahnen.

Alle Teilnehmer nahmen ihre Startplätze ein. Die meisten in der geraden Linie auf dem Asphalt und einige wenige an der Seite auf dem Schotter, wo zwar der Weg zum ersten Hindernis etwas weiter war aber dafür deutlich weniger Gedrängel. Es wurde gemutmaßt, dass das Rennen wohl um 17:30 beginnen werde. Doch daraus wurde erst mal nichts. Zuerst fuhr Johannes B. zusammen mit seiner Co-Moderatorin Kate Abdo „die Front ab“ – und zwar in einem Elektrofahrzeug, wie man es vom Golfplatz kennt. Hier und dort wurde zu einem kurzen Talk angehalten. Johannes B. ließ sich mit Blick auf Kate zu dem lockeren Spruch hinreißen „Die bekommt Ihr aber nicht“.

Dann wurde es zunehmend unruhig. Offensichtlich hatten einige Frauen deutlich gemacht, dass sie noch ein dringendes Bedürfnis hätten und so erhielten alle noch einmal die Möglichkeit, sich zu erleichtern. Diejenigen, die nicht in die gekachelten Räume unterwegs waren, wurden gebeten, sich auf der Asphaltpiste rund um das Moderatorenpaar zu gruppieren und dort einen Kreis von etwa zehn Meter Durchmesser zu bilden. Jetzt war man näher an den Hindernissen dran und konnte die Frage auf dem ersten großen erkennen: „Welche Erfindung wurde im 20. Jahrhundert gemacht?“ Die Antworten waren Symbole und für Brillenträger, die ihre Sehhilfen vorschriftsgemäß abgelegt hatten, ohne Sehhilfe aus der Entfernung nicht zu erkennen. Aber offensichtlich war die Regel so, dass eine Antwort richtig und zwei falsch sein würden und abhängig davon, welches der drei Tore man wählte, wären die folgenden Hindernisse wohl leichter oder schwerer zu überqueren.

Nun dauerte die Warterei am Start bereits eine Dreiviertelstunde. Die Aufwärmübungen in der Halle waren angesichts der kühlen Witterung draußen und dem untätigen Herumstehen für die Katz gewesen. Eine Drohne würde den kreisförmigen Pulk der Teilnehmer überfliegen und dabei filmen und man solle ihr begeistert zuwinken und dabei jubeln. Erst musste die Menge in bzw. näher an die Kreisform gebracht werden und dann musste das wohl zweimal aufgenommen werden. Dann mussten die Moderatoren für einen Take auf etwas Sonnenlicht waren und erst danach durften die Teilnehmer wieder zurück an den Start. Mittlerweile war es 18:30 geworden. Kurz bevor es losging, kam eine Mitarbeiterin vorbei und verteilte Brillenbändsel an diejenigen, die der Anweisung getrotzt hatten und doch ihre Brille auf der Nase hatten. Unglaublich: warum konnte man die Dinger nicht vorher an alle austeilen? Ein klarer Nachteil für alle, die ohne Sehhilfe am Start waren.

Dann erfolgt plötzlich und ohne deutlich vernehmbare Ankündigung der Start. Während sich am rechten Rand auf dem Schotter das Teilnehmerfeld problemlos in Bewegung setzt, kommt es im Pulk auf dem Asphalt erwartungsgemäß zu Stürzen und ersten Verletzungen. Das erste Hindernis, die Strohballen, sind recht wackelig. Man kann zwar drauf- und wieder herunterspringen aber sie wackeln dabei bedenklich und einige Teilnehmer kommen auch hier zum Sturz. Nachfolgende trampeln einfach über sie weg. Der Schaum hinter der ersten Barriere einfach nur nass und kein wirkliches Hindernis. Nur die in den Schaum gestürzten Teilnehmer werden – unsichtbar wie sie sind – zu einem solchen. Die nächste Strohballenbarriere: in zwei Stufen rauf und dann in zwei wieder runter. Und dann – auf Kunstrasen – unter einem 50 cm hohen Netz hindurchrobben. Danach ein kurzes Stück laufen. Dann wieder robben. Dann kommt an der großen Mauer die erste Frage: Kugelschreiber, Rolltreppe oder Schreibmaschine. Was wurde im 20. Jahrhundert erfunden? Der Kuli wäre richtig gewesen und alle, die ihn gewählt haben, können einfach weiterlaufen während die Entscheidung für Rolltreppe oder Schreibmaschine weitere unangenehme Hindernisse in den Weg stellt. Es folgen weitere Strecken, die für alle zu durchlaufen sind und zwei weitere Hindernisse, bei denen die, die wissen, dass Petersilie pro g mehr Vitamin C enthält als Brombeere oder Apfel oder dass Bruce Willis nicht in England oder Australien geboren wurde sondern in Deutschland, weiterlaufen können und alle anderen sich erneut über und unter Hindernissen durchquälen müssen. Danach sind noch etwa dreihundert Meter Laufstrecke zu bewältigen und dann ist das Ziel schon zu sehen. Und eine Anzeige, auf der die Zahl zu sehen ist, wie viele Teilnehmer schon durch sind.

Bei 500 bleibt die Anzeige stehen und die Tore werden geschlossen. Dies geschieht – was die Anzeige angeht – automatisch und die Tore betreffend von Hand. So dass etwas mehr als 500 Teilnehmer durch die gerade noch offenen Tore kommen. Was später zu erheblichen Differenzen führen wird.

Einer der Teilnehmer hat sich offensichtlich übernommen und bricht am Ziel zusammen. Mehrere Kandidaten, die nahe bei ihm stehen, rufen laut und deutlich nach Sanitätern. Es war ja zugesagt worden, dass die komplette Strecke ausreichend mit medizinischem Personal abgesichert sei. Aber ausgerechnet hier, am Zieleinlauf, befindet sich kein Helfer. Es dauert geschlagene vier Minuten und viele weitere entsetzte Hilferufe, bis endlich jemand da ist. Teilnehmer hatten mittlerweile erste Hilfe geleistet und den Sanitätern und Notärzten gelang es schließlich, den Betroffenen mit Hilfe von Herzmassage und Defillibratoren zurück ins Leben zu holen. Aufgeregte Mitglieder des Produktionsteams, die mit betretenen Gesichtern herumlaufen, lassen nichts Gutes ahnen.

Der geplante Ablauf „500 Verlierer ins Studio und 500 Gewinner zur technischen Ausrüstung mit der Spieltechnik“ wird geändert. Alle Teilnehmer – Gewinner und Verlierer – werden zum Umziehen in ihre farblich gekennzeichneten Bereiche geschickt. Das sind Minuten, in denen jeder sich fragt, wie es dem Zusammengebrochenen mittlerweile geht. Sehr viele Teilnehmer haben einen trockenen Husten. Die kalte Luft, in der man über eine Stunde auf den Start gewartet hatte und dann der volle Leistungseinsatz waren sicherlich ein Grund. Möglicherweise wurde auch Strohstaub oder Schaum eingeatmet … oder beides.

Dann werden alle gemeinsam ins Studio geleitet. Die, die sich für Gewinner halten, werden in die Mitte platziert, die anderen an die beiden Seiten. Schnell wird deutlich, dass mehr als 500 sich zu den erstgenannten zählen, denn nicht alle „Gewinner“ bekommen einen Sitzplatz.

Es erscheint Johannes B. – noch deutlich betroffen – und berichtet, dass es dem verunglückten Kollegen wieder besser gehe, dass das Produktionsteam einen kompletten Abbruch erwogen hätte und dass es nicht sein könne, dass man hier fröhlich eine Show aufzeichne, wenn es einem Teilnehmer doch sichtbar schlecht ergangen sei. Auch berichtet er über Klagen, die einige wegen unsportlichen Rempeleien vorgebracht hätten aber diese haben keine – jedenfalls keine für die Teilnehmer wahrnehmbaren – Folgen. Die in den Teilnahmebedingungen beschriebene Klausel, unfaires Verhalten führe zur Disqualifikation, kommt offensichtlich nicht zur Anwendung.

Jetzt müssen die ersten 500 ihre technische Ausrüstung für den weiteren Verlauf bekommen und dazu werden die Startnummern vorgelesen, die der Computer am Ziel erfasst hat. Das ist mühsam und langwierig. Zumal einer der Veranstalter einen dieser Zettel ein zweites Mal vorliest. Trotzdem bleiben etwas mehr als zwanzig Leute sitzen, die sich für Sieger halten und deren Nummer nicht aufgerufen worden war. Viel Zeit vergeht, bis ihnen klar gemacht werden kann, dass sie zwar durch die offenen Tore gekommen sind, aber eben nicht unter den ersten 500. Hier fragt sich, warum man hat die Tore überhaupt schließen müssen. Über die Transponder, die jeder am Schuh hatte, ist die Durchlaufzeit eindeutig feststellbar gewesen. Und auch am Start hätte man sich das Chaos ersparen können, wenn die Uhr bei jedem Einzelnen beim Überlaufen der Startlinie gestartet worden wäre und nicht für alle gemeinsam bei einem schwer zu hörenden Kommando.

Erwartungsgemäß dauert es fast eine Stunde, bis alle 500 „Gewinner“ mit den technischen Hilfsmitteln ausgerüstet sind. Der „Einmarsch der Gladiatoren“ muss freilich aufgezeichnet werden und das dauert entsprechend länger. Bei einem Blick auf diejenigen, die jetzt ein Abstimmungsgerät und ein leuchtendes Armband tragen, wird schnell deutlich, dass das Auswahlverfahren nur nach der Laufzeit ohne Berücksichtigung von Altersklassen oder Geschlecht, ein nicht gerade repräsentatives Ergebnis hervorgebracht hat. Gerade mal zwanzig Frauen haben es geschafft (4 %) und von den älteren Teilnehmern ist nicht ein einziger dabei.

Es folgt die zweite Runde – die erste im Studio – und es geht um „Intelligenz“. Zehn Fragen sind zu beantworten. Für ein echtes Auswahlverfahren bleiben die Fragen sehr lange zur Beantwortung stehen. Auf Grund einer technischen Panne mit dem Abstimmungsgerät eines Teilnehmers bleibt die dritte Frage sogar etwa fünf Minuten offen. Da einige bereits vor der Panne ihre Antwort abgegeben hatten, wird sogar die Antwort komplett zurückgesetzt und alle dürfen neu antworten. Eine Ersatzfrage stand wohl nicht zur Verfügung – mit einem technischen Defekt war wohl nicht zu rechnen?

Nach Abschluss der Runde wird bekannt gegeben, dass nur ein Einziger alle zehn Fragen korrekt beantwortet hat und aus der Zahl der richtig beantworteten und der Zeit, die für die Eingabe benötigt wurde, werden die besten 250 Kandidaten ermittelt und damit wird das Feld der Teilnehmer wiederum halbiert. Es folgt Runde drei unter dem Motto „Aufmerksamkeit“. Bevor es losgeht, stellt die Regie fest, dass nach der zweiten Runde zwei Kandidaten zu viel ausgewählt worden sind. Sichtlich genervt „Wie kann den das sein?“ wendet sich Johannes B. ab und kommuniziert für alle unhörbar mit dem Regisseur. Der Fehler wird gefunden und es kann weitergehen.

Ein Ensemble aus der Ukraine performt einen Tanz, bei dem die Kostüme der Mitglieder mit leuchtenden Elementen versehen ist und bei annähernder Dunkelheit wird so mit wechselnden Lichteffekten eine kleine poetische Geschichte erzählt. Anschließend müssen die verbleibenden Kandidaten Fragen beantworten wie „Welche Farbe hatten die Schnürsenkel des Mannes?“ oder „Wie viele Arme hatte der Krake?“. Mit der Auswahl derer, die das korrekt oder schnell genug beantworten konnten, wird der Kreis der Kandidaten von 250 auf 100 eingedampft.

Es folgt eine längere Umbaupause, in der auf der Bühne 100 Stelen (jede ist ca. 50 cm hoch) aufgebaut werden. Das Motto der vierten Runde ist „Balance“. Es geht darum, auf einer 10 * 10 cm großen Platte auf der Stele einbeinig zu balancieren. Die verbleibenden Kandidaten müssen so lange darauf ausharren, bis nur noch 50 stehen. Zu diesem Zeitpunkt sind übrigens nur noch drei Frauen unter den 100 Kandidaten. Alle drei meistern dieses Spiel perfekt. Aber einige Männer bleiben stehen, obwohl das Licht bei ihnen schon mal ausgegangen ist: ein Zeichen dafür, dass sie mit dem freien Fuß dem Standbein zu nahe gekommen sind. Die Computertechnik, die den Zustand der Stelen überprüft, beendet diese Spielrunde automatisch, als sie registriert, dass nur noch fünfzig Kandidaten stehen geblieben sind.

In der fünften Runde soll der Tastsinn geprüft werden. Für die verbleibenden fünfzig Kandidaten sind auf den Stelen Kästen montiert worden, in denen sie Münzen ertasten und deren Gesamtwert feststellen sollen. Bevor dieses Spiel beginnen kann, reklamieren mehr als die fünfzig automatisch festgestellten Teilnehmer ihre Standfestigkeit beim Balancieren auf den Stelen. Dies führt zu einer fast zweistündigen Unterbrechung in der versucht wird, die Sachlage zu klären. Den Kandidaten und den anwesenden bereits ausgeschiedenen Teilnehmern wird nicht deutlich, was sich hinter den Kulissen abspielt. Letztlich entscheidet der Notar, dass die zwölf Teilnehmer, die für sich reklamieren, mindestens genauso standfest gewesen zu sein wie die fünfzig, die die Computertechnik festgestellt hatte, bekommen ebenfalls die Chance für das Ertasten der Münzen. Immer wieder wird diskutiert und die Kandidaten (und Zuschauer) werden mehrfach vertröstet aber es dauert und dauert … und es wird hinter den Kulissen entschieden, dass nicht weiter auf die Computertechnik vertraut wird. Zitat Johannes B.: „Machen wir das ab jetzt mit Zettel und Bleistift. Das hat ja früher auch funktioniert!“

Nur zehn Spieler haben die exakte Summe erfühlt. Die restlichen fünfzehn, die im Spiel bleiben, werden danach ermittelt, wie weit oder nah sie an diesem Wert lagen. Es folgt ein Show-Act mit Sarah Conner. Die singt jetzt deutsch. Na gut, wenn’s denn sein muss …

Endlich gibt es auch den versprochenen Imbiss. Das Publikum hatte zuvor schon Gesänge angestimmt „Wir haben Hunger, Hunger, Hunger …“. Zwar sind die insgesamt 100 Pizzen sehr schnell vergriffen aber von den drei Sorten Würstchen mit Brot und Senf sind reichlich bemessene Vorräte da, so dass jeder seinen Hunger stillen kann. Fast jeder, denn wieder wurde nicht an die Vegetarier gedacht.

Die verbleibenden 25 Kandidaten – jetzt ist nur noch eine Frau dabei – müssen in der sechsten Aufgabe acht Bausteine mit unterschiedlichen Formen in einen Baukasten zusammensetzen. Die fünf schnellsten kommen weiter. Johannes B. kündigt an, dass dies schon das Viertelfinale sei. Ursprünglich war ja die Show mit zehn Runden angekündigt und geplant, aber da es mittlerweile bereits nach 02:00 Uhr früh ist, hat man sich wohl für das Streichen zweier Aufgaben entschieden. Kurz wird das auch deutlich, als an der Wand das Thema „Risiko“ für die nächste Aufgabe angezeigt wird, aber dann ist es doch „Geschicklichkeit“.

Eine weitere Showeinlage wird von dem Zauberkünstler präsentiert, der sehr geschickt und verblüffend seine Tricks mit dem iPad vorführen kann. Wie er das wohl macht?

Dann werden die verbleibenden fünf Kandidaten an ihre Tische geführt und Kate erklärt die Regeln. Das heißt, sie liest sie von einem Teleprompter ab, aber da die Kollegen in der Redaktion verpennt hatten, dass die Computertechnik abgeschaltet bleibt und Kate den ursprünglich vorgesehenen Regeltext vorgelegt hatten, folgt eine neuerliche Verzögerung, die neuen Regeln werden von Johannes B. festgelegt, der Text für den Teleprompter wird umgeschrieben und die Ansage wird erneut aufgezeichnet.

Danach werden die fünf Kandidaten kurz persönlich vorgestellt, die den Baukasten in Spiel sechs am schnellsten zusammengebaut hatten. Zwei Berliner, ein Schwabe von der Alb, ein Münchner und ein Augsburger. Alle Ende zwanzig bis Mitte dreißig. Die Aufgabe: ein „Kartenhaus“ aus 13 Bierdeckeln bauen, das auch noch stabil stehen bleibt nachdem der Kandidat den Tisch verlassen hat. Erst tun sich alle ziemlich schwer, dann kommen sie nacheinander auf den Kniff, in welcher Reihenfolge man die 15 vorhandenen Deckel einsetzen muss. Sieger wird der Berliner Mathematiker, der auch schon beim Baukastenspiel der Schnellste gewesen war. Es dauert lange, bis einer der anderen vier ein stabiles Gebilde konstruiert hat. Immer wieder sieht es ganz gut aus und dann fällt das doch wieder um. Schließlich schafft es der Schwabe.

Es folgt das Finale. Wieder geht es um Geschicklichkeit. Auf einem Podium auf einem Tisch stehen 19 Sektgläser. Abwechselnd müssen die beiden Finalisten jeweils ein Glas nehmen und mindestens eine Ebene höher stellen. Der, bei dem der Turm einstürzt, verliert. Der Berliner geht schnell aufs Ganze und baut steil nach oben. Bis Ebene acht kann der Schwabe mithalten aber auf das Glas, das der Berliner in die neunte Etage gestellt hat, kann er nichts mehr draufpacken.

Schnell wird nun – es ist fast 04:00 früh geworden – die Siegerehrung aufgezeichnet.

Und dann geht es in die Halle, in der alle angekommen waren. Jetzt bilden sich Grüppchen, die gemeinsam mit einem Bus angereist waren und jetzt auf ihren Bus warten mussten. Wieder war das schlecht organisiert. Die Busse konnten nur hintereinander auf das Gelände fahren und es war neben der Halle auch nur Platz für drei Busse und die Warterei nahm erneut kein Ende. Die versprochenen Snacks für die Rückfahrt waren nicht da. Immerhin gab es reichlich Freibier – mit und ohne Alkohol und diesmal auch in Pfandflaschen.

Die letzten Busse fuhren erst nach 05:00 Uhr ab.

 

Fazit:

Die Show ist mit ihrem Konzept und der konkreten Umsetzung zwar nicht so menschenverachtend wie „Takeshi Castle“ aus Japan. Sie kommt aber stark in die Nähe davon. Die gnadenlose Auswahl der Stärksten und Sportlichsten im ersten Wettbewerb – unabhängig von leistungsbeeinflussenden Faktoren wie Alter und Geschlecht – ist nur auf Jugend getrimmt und für alle anderen mithin diskriminierend. Viele Teilnehmer fühlten sich nach dem Wettbewerb nicht als unterlegene Kandidaten sondern als Opfer.

Die Aufgaben mit kognitivem Hintergrund waren viel zu leicht und die Zeit, die jeweils zur Beantwortung blieb, stand in keinem Verhältnis zu dem Zeitdruck, unter dem die erste Fitness-Ausscheidung stattfand.

Soziale Kompetenz wurde in den dargebotenen acht Aufgaben überhaupt nicht getestet. Interessant wäre zu wissen, welche beiden Aufgaben dem Zeitdruck zum Opfer fielen und von der Produktion im Laufe des Abends gestrichen worden sind.

Der Versuch, eine geeignete Nachfolge für das Format „Wetten das?“ gefunden zu haben, muss als gescheitert betrachtet werden. Wieder hat eine Show dazu geführt, dass ein Teilnehmer Schäden erlitten hat.

Speziell der erste Wettkampf hat das billigend in Kauf genommen. Eine solche „Show“ erinnert doch sehr an Gladiatorenkämpfe. Dies kann nicht im Selbstverständnis eines öffentlich rechtlichen Fernsehsenders liegen.

Die Verbindung zum Drehort BER bleibt fragwürdig. Wurde auf Kosten der Gebührenzahler ein Versuch unternommen, das schlechte Image des Flughafens aufzupolieren?