Rip Off

Wie ich neulich doch tatsächlich mal im Internet reingelegt worden bin

Ja, das war auch eigene Dusseligkeit
Und das kam so.

Da hatte ich mir vor fast zehn Jahren ein paar Schuhe in Amsterdam gekauft, spanisches Leder, super bequem, sehr leicht und schick … kurzum, wenn es nicht gerade in Strömen regnete oder knöchelhoher Schnee lag, hab‘ ich die Dinger ständig getragen. Kein großer Verschleiss und bei halbwegs regelmässiger Pflege waren und sind die Gebrauchsspuren auch nach so langer Zeit akzeptabel und es mußte kein Schuhmacher je kontaktiert werden.
Und dann kam ich auf die Idee, mir – gewissermaßen zur Sicherheit – ein zweites Paar zuzulegen.
Da ich nun nicht ständig in Amsterdam zu tun habe und es ja durchaus auch die Möglichkeit geben sollte, diese Schuhe hier in Bremen kaufen zu können, habe ich zuerst danach recherchiert … leider Fehlanzeige.

Aber wozu gibt es denn das Internet, doch nicht nur zum Suchen, sondern auch zum Finden. War erst mal auch nichts, entweder nicht in der richtigen Farbe oder nicht in meiner Größe. Es war wie verhext. Dann endlich hab‘ ich sie nach ein paar Tagen doch gefunden. Passte alles, auch der Preis (war sogar günstiger als damals im Shop). Also bestellt und mit Kreditkarte bezahlt. Eine kleine Irritation kam auf, als es keine direkte Bestätigungsmail gab, aber das war dann bald wieder aus dem Blickpunkt geraten.

Fünf Wochen später ist ein Brief im Postkasten von der Zollübergabestelle der Deutschen Post. Da wäre ein Paket für mich angekommen. Der Aufkleber des Pakets lag in Kopie bei und tatsächlich, der Inhalt waren wohl die bestellten Schuhe. Aus China. Und eben unverzollt. Und ein Schreiben vom Zoll mit dem Inhalt, dass ich mir das Paket gegen Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von nochmal 19% im Hafen abholen könne. Es könne mir jedoch auch zugestellt werden, per Nachnahme gegen zusätzliche Entrichtung einer Gebühr, versteht sich.

Erst mal hab‘ ich den Webshop aufgerufen um zu sehen, ob da was von unverzollter Lieferung aus China zu finden war. Es gab tatsächlich eine Seite, wo ich so etwas wie den Eingang meiner Bestellung fand, alles auf Deutsch und nichts von irgendwelchen Zusatzkosten geschweige denn von Versand aus dem Ausland. Und im dort angegebenen Preis war die (deutsche) Mehrwertsteuer bereits enthalten und ausgewiesen.

Jetzt wollte ich wissen, ob denn die Kreditkarte bereits belastet worden war. Auf dem Kontoauszug im Internet war tatsächlich eine Abbuchung zu sehen. Welche Verwunderung aber: das war nicht der im WebShop ausgewiesene Preis, sondern einer in Yuan und zwar zu einem Umrechnungskurs, der einen deutlich höheren Euro-Betrag ergab als der im Shop genannte. Und Gebühren für eine Auslandszahlung wurden vom Geldinstitut auch noch in Rechnung gestellt.

Jetzt reichte es mir. Erst mal beim Zollamt angerufen und gefragt, ob ich die Annahme verweigern könne. Klar. Dann bei der Bank, was ich machen müsse, um die Abbuchung zu stornieren. Jede Menge Kopien, Scans und Screenshots. Begleitschreiben. Ab dafür.
Dann galt es noch, herauszufinden, wer dieses Geschäft denn betreibt. Hätte ich mir eigentlich schon gedacht: ein Impressum oder gar die AGB waren auf der Seite des WebShop nicht zu finden.
Wie dusselig war das denn? Danach sollte man doch schauen, bevor man ein Geschäft eingeht.

Aber wenigstens liess sich über die DENIC herausfinden, wer die fragliche Internet-Domain, auf der der Shop läuft, registriert hat. Eine Frau aus Wuppertal-Elberfeld. An der angegebenen Telefonnummer ging allerdings niemand dran. Weder auf eine Mail an die bei DENIC angegebene Adresse noch auf eine Anfrage, die ich im Kontaktformular des Web Shops geschrieben hatte, gab es eine Antwort.
Also am nächsten Morgen mit dem ganzen Papierkram zum örtlichen Polizeirevier und Anzeige wegen Betrugs erstattet. Der Uniformierte grinste sich einen und meinte, große Hoffnung, dass das was werde, solle ich mir nicht machen und dauern würde das sowieso.

Zwei Monate später ruft die ermittelnde KHK mich an und bittet darum, dass ich der Bank gestatte, der KHK in dieser Sache Auskunft zu erteilen. Logisch. Mach ich. Geht ja was voran. Erfreulich.

Einen weiteren Monat später kommt ein Brief von der Bank, dass sie mir lediglich die Differenz zwischen dem Originalbetrag und dem Umrechnungskurs erstatten. Das Geschäft sei als solches ordnungsgemäss zustande gekommen und auch die Tatsache, dass ich nachweisbar die Ware nicht erhalten habe, sei nicht ihr, sondern mein Problem. Ich müsse mir das vom Shopbetreiber erstatten lassen.
Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie, was der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ lässt der große Bertolt Brecht den Jeremiah Peachum in der Dreigroschenoper fragen. Wie berechtigt.

Weitere vier Monate gehen ins Land.
Dann kommt ein Brief von der Staatsanwaltschaft: Ermittlungsverfahren nach §170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Ermittlungen bieten nicht genügend Anlass zur öffentlichen Klage. Die fragliche Dame ist und war niemals in Wuppertal ansässig. Ein anderer Täter liess sich nicht ermitteln. Zwei Wochen hätte ich Zeit, dagegen Beschwerde einzulegen.

Erst mal hab‘ ich per Mail an die DENIC geschrieben und nachgefragt, ob das denn nicht gängige Praxis sei, sich bei der Registrierung einer Domain als existierende Person zu authentifizieren. Mit einer sehr netten Antwort erklärt mir der dortige Mitarbeiter, dass die DENIC das ja nicht selbst betreibe sondern die „.de“ Domains nur verwalte; die Registrierung geschehe durch Firmen, die als Registrar tätig seien, das seien meist irgendwelche Internet Provider und auf deren Geschäftsgebaren habe man wenig Einfluss. Die DENIC würde nur tätig, wenn ein begründeter Verdacht vorliege. Hier sei das offensichtlich so und er bat mich, ihm den Vorgang zukommen zu lassen. Außerdem gab er mir den Tipp, wie ich noch etwas weiterkommen könne, nämlich statt über die Domain nach der IP Adresse zu suchen, unter der die fragliche Domain erreicht wird.

Gesagt, getan. Die IP gehört zu einem Block, der von der niederländischen Firma RIPE verwaltet wird und auf deren Seite gibt es ein Tool, das die Mailadresse von demjenigen zeigt, der diese IP nutzt. Nur noch eine weitere Suche nach der Domain, wo diese Adresse beheimatet ist und ich lande auf einer eher mysteriösen Seite einer Firma in Istanbul, weitere Recherchen ergeben den Namen und Adresse des Inhabers.

Jetzt hab ich mich gefragt, wenn ich das innerhalb weniger Minuten rausbekomme, dann müsse doch die Polizei das auch schaffen und habe der ermittelnden KHK eine Mail geschickt mit meinen neuen Erkenntnissen und der zusätzlichen Frage, was denn die Auskunft von meiner Bank ergeben habe.
Tatsächlich hat sie einen Tag später geantwortet: zu meinen Recherchen bis nach Istanbul, das müsse sie an die IT Abteilung weitergeben, da kenne sie sich überhaupt nicht aus. Oha. Eine Polizistin ermittelt in einem Betrugsfall, der sich im Internet abspielt und sie bekennt, dass sie sich dort nicht auskennt. Puh. Und darf sie das überhaupt weitergeben, wo doch das Ermittlungsverfahren offiziell eingestellt ist? Hoffentlich bringe ich sie da nicht in Schwierigkeiten?
Und zu der Frage nach ihren Nachforschungen bei meiner Bank schreibt sie tatsächlich, sie hätte dort überhaupt nicht nachgefragt, denn die Tatsache, dass der Betrag in Yuan abgebucht worden sei, weise ja wohl auf ein Institut in China und da gäbe es eben die Frage der Verfahrensökonomie, aus der heraus bei diesem Sachverhalt nicht mehr zu ermitteln sei.

Ich frage mich gerade, ab welcher Schadens-Summe wohl weitere Ermittlungen stattgefunden hätten. Andererseits gibt es tatsächlich Erfahrungswerte in der mangelnden Bereitschaft der Behörden in der Türkei, deutsche Ermittlungen zu unterstützen. In einer meiner letzten Verhandlungen als Schöffe der Großen Strafkammer waren zwei Türken angeklagt, die bei folgendem Trickbetrug mitgespielt hatten: vorzugsweise ältere Menschen werden angerufen dabei erscheint im Display des Angerufenen die (gespoofte) Nummer 110. Der Anrufer stellt sich vor als Polizist oder als Staatsanwalt und erzählt etwas von einer Diebesbande, die sich in der Gegend, wo der Angerufene wohnt, herumtreibe und um vor vermeidlichem Diebstahl zu schützen würde gleich ein Kollege vorbeikommen, dem doch bitte das gesamte Bargeld und der Schmuck sicherheitshalber auszuhändigen sei. Wer da nicht sofort auflegt, wird in perfidester Weise ständig weiter angerufen und unter Druck gesetzt. Unglaublich, dass es gelingt, damit sogar sechsstellige Beträge abzuzocken. Das Ganze wird gesteuert aus einem Callcenter – in unserem Fall in Izmir. Den Anrufern, die in Deutschland angeheuert werden, wird ein schöner Urlaub mit einem Nebenverdienst versprochen. Die Abholer werden von Job zu Job spontan mit einem kleinen Anteil der Beute geködert. Und trotz mehrfacher Ersuchen hat die Polizei in Izmir den hiesigen Ermittlungsbehörden nicht geholfen, etwa um das Callcenter räumlich zu lokalisieren. Fazit war: die beiden Handlanger – ein Abholer und ein Anrufer – wurden verurteilt, an die Hintermänner und Auftraggeber in der Türkei kam die Justiz nicht dran.

Ich habe in meiner Angelegenheit allerdings beschlossen, fristgerecht Beschwerde beim Generalstaatsanwalt gegen die Einstellung des Verfahrens einzulegen. Mal sehen, was daraus wird.

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